Artikel aus der Rems-Zeitung vom Donnerstag, 30. Juni 1966
1.-4. Juli: Jubiläumsfeier, Fahnenweihe, Sportplatzeinweihung und Kinderfest

W i ß g o l d i n g e n.

Das Fest des Jahres auf Vereinsebene in Wißgoldingen und gleichzeitig das größte seit Bestehen des Turnvereins e.V. wird über das kommende Wochenende gefeiert. Fahnenweihe, 70 jähriges Jubiläum und Sportplatzeinweihung hätten die Möglichkeit geboten, dreimal die Festtrommel zu rühren, aber die Vorstandschaft entschloß sich, diese vereinshistorischen Faktoren in einem großen Fest zu vereinen.

Die festlichen Tage sollen ein Bekenntnis für die sportlichen Ideale sein, Verbundenheit und Vereinszugehörigkeit festigen und auch die Gemütlichkeit zu ihrem vollen Recht kommen lassen. Für die Kinder gibt es zum Abschluß am Montag ein gut organisiertes Kinderfest.

Zur Zeit der Gründung des TV - das genaue Datum ist der 14.05.1896 - hatte Wißgoldingen rund 500 Einwohner. Es ist deshalb um so überraschender, wenn damals vor 70 Jahren nahezu 30 Männer - überwiegend jüngere - zusammenkamen, um den Verein zu gründen. Sie verpflichteten sich, eine Goldmark Eintrittsgeld zu bezahlen und nicht eher auszutreten, bis die zum Turnen notwendigen Geräte angeschafft und ganz bezahlt waren. Für die Zeit vor der Jahrhundertwende war das ein beachtliches Vorhaben, das auch eingehalten wurde. Weiter wurde beschlossen, monatlich eine Versammlung abzuhalten, und es wurde auch festgelegt, jedes Mitglied mit einer Strafe zu belegen, das unentschuldigt einer Versammlung fernblieb.
Vereinsstatuten wurden aufgestellt, in denen es heißt, dass der Verein bestehen bleibt, „solange er mindestens noch drei Mitglieder zählt“. Die gemeinnützige Einstellung zeigt sich auch in dem Beschluß: „Sollte der Verein aufgelöst werden, fallen die vorhandenen Geräte samt der Kasse dem Gau zu.“

Nachdem die Geräte schon vorhanden waren, wurde im Mai 1897 das erste größere Turnen abgehalten. Daß die sportliche Begeisterung damals schon groß war, geht daraus hervor, dass im selben Jahre erstmals unter guter Beteiligung das Gauturnfest in Waldstetten besucht wurde. Ebenso wurde am Jahresende erstmals eine Weihnachtsfeier im Vereinslokal „Zum Löwen“ abgehalten. Im Jahre 1898 wurde ein Beschluß gefasst, dass jedes Vorstandsmitglied, das aus dem Verein austritt, mit einer Strafe von zehn Reichsmark belegt wird. Mit dem damaligen Adlerwirt Albert Straubmüller wurde ein Vertrag auf zehnjährige pachtweise Überlassung seines Hausgartens für turnerische Zwecke abgeschlossen. Vorübergehend fanden somit auch die aufgetretenen Platzsorgen ein Ende. Finanziell war der junge Verein nämlich nicht in der Lage, eigenes Gelände zu erwerben.

1899 wurde eine Gesangsabteilung gegründet. Auch ließ man sich noch vor der Jahrhundertwende eigene Vereinsabzeichen anfertigen. Das nächste Vorhaben war die Anschaffung einer Vereinsfahne. Hierzu wurde in Ermangelung der eigenen finanziellen Mittel die Errichtung einer Fahnenkasse vorgeschlagen. Viele Mitglieder verpflichteten sich, monatlich eine Reichsmark in diese Kasse zu zahlen.

Im Juni 1903 konnte dann die erste Fahnenweihe abgehalten werden. Aus diesem Anlaß wurde auch ein Preisturnen durchgeführt, wobei sich 21 Gauverein gemeldet hatten. 1904 beteiligte sich ein Vereinsriege erfolgreich am Kreisturnfest in Reutlingen. 1905 traten im Gesangverein die ersten Schwierigkeiten auf. Die Art derselben ist aus dem Protokollbuch nicht genau zu ersehen, es heißt nur: „Singstunden wegen verschiedener Schwierigkeiten eingestellt“. Ende 1906 setzte der Männerchor die Singstunden wieder regelmäßig fort.

In den ersten zehn Jahren leiteten fünf Erste Vereinsvorstände die Geschicke des Vereins. Im Februar 1907 gab es einen gewaltigen Rückschlag. Durch eine Feuersbrunst, dem sämtliche vereinseigene Geräte und die Vereinsfahne zum Opfer fielen, wurde das Vereinslokal zerstört. Die Opferbereitschaft und das Zusammengehörigkeitsgefühl vollbrachten nun etwas fast Unmögliches. Umgehend wurde eine neue Vereinsfahne in Auftrag gegeben, die schon im August 1907 geweiht werden konnte. Auch das Vereinslokal war zu diesem Zeitpunkt wieder weitgehendst aufgebaut, so dass die groß angelegten Festlichkeiten im neuen Lokal abgehalten wurden. Die Geräte wurden nach und nach wieder angeschafft.

1910 wurde ein Turnhallenfond gegründet. Zu diesem Zeitpunkt erklärte sich die damalige Gemeindeverwaltung bereit, dem TV ein Gelände am Weg zum Stuifen für 20 Jahre zur Anlegung eines Turn- und Spielplatzes zu überlassen. Derselbe ist zu einem späteren Zeitpunkt teilweise als Eigentum an den Verein übergegangen. Nach dem vorgesehenen Ausbau war 1913 die Einweihung. Zu dieser Zeit erfolgte auch die amtsgerichtliche Eintragung des Vereins.

Der Erste Weltkrieg brachte fast sämtliche vereinsinterne Tätigkeiten zum Erliegen. Deshalb war es eine beachtliche Leistung, dass schon 1919 der Turnbetrieb und das Singen wieder regelmäßig durchgeführt wurden. 70 Mitglieder und 16 Zöglinge bildeten zu dieser Zeit den Verein. 1921 wurde eine Handballabteilung ins Leben gerufen. Mit dem 25-jährigen Vereinsjubiläum – das in großem Rahmen gefeiert wurde – war die Durchführung des Gaujugendturntages verbunden. 300 Teilnehmer wurden gezählt. Zu den praktizierenden Sportarten Leichtathletik, Geräteturnen und Handball, kam 1922 noch eine Faustballabteilung dazu, die Pflichtspiele austrug. Zwei Jahre später wurde der vorhandene Sportplatz vergrößert. Durch die kurz zuvor vollzogene Geldumstellung kam der Verein in eine missliche Lage. Eine Sondersteuer von 1,- Reichsmark pro Mitglied musste den Kassenstand wieder weitgehend ausgleichen.

Die Wiederbenützung des vergrößerten Sportplatzes unter Mitwirkung des TV Waldstetten und des TSGV Rechberg war im August 1924. 1928 wurde zum ersten Male auf dem Stuifen das Bergfest gefeiert. Als weitere Sparte im Verein wurde eine Skiabteilung gegründet. Zu dieser Zeit und in den folgenden Jahren waren die Wißgoldinger Geräteturner durch ihr hohes Können über die Kreisgrenze hinaus bekannt.

1931 trug sich die Vereinleitung schon wieder mit dem Gedanken, den Sportplatz zu vergrößern. 2800 Kubikmeter Boden mussten von Grund auf bewegt werden. Der Kostenvoranschlag für dieses Projekt betrug 5100,- Reichsmark. Als vorteilhaft erwies es sich, dass die Vergrößerung im Rahmen von Notstandsarbeiten durchgeführt wurden. Für 1933 wurde dem Verein die Durchführung des Bezirksturntages übertragen. Eine Vereinsriege errang beim Deutschen Turnfest in Stuttgart einen 1. Preis.

Eine jähe Unterbrechung erfuhr das Vereinsgeschehen durch den Zweiten Weltkrieg. Was bis zu diesem Zeitpunkt mühevoll aufgebaut wurde, drohte zu zerfallen. All die Wirrnisse schwächten den Verein sehr, konnten ihm aber den Todesstoß nicht versetzen. Mancher Kamerad fehlte, als 1946 der Verein seine vielseitige Tätigkeit wiederbegann.

Im Juli 1946 wurde das 50-jährige Vereinsjubiläum unter großer sportlicher Beteiligung gefeiert. Die Weiterführung des sportlichen Geschehens lag fortan überwiegend beim Handball. Auch die Sparte Leichtathletik fand wieder Freunde. 1947 zweiter Hallenhandballmeister im Kreis Staufen. Ein Jahr später wurden wieder regelmäßig Singstunden abgehalten. Diese Abteilung entwickelte sich in den folgenden Jahren sehr günstig. Auch eine neu gegründete Theatergruppe trat regelmäßig mit gut besuchten Veranstaltungen an die Öffentlichkeit. Die Operetten: „Der Goldfisch vom Königssee“, „Helga, das Fischermädel“ und „Das Mädel vom Neckarstrand“ sind nur einige der erfolgreichen Aufführungen, die teilweise eine so große Anziehungskraft ausübten, dass zwei und drei Wiederholungsvorstellungen notwendig waren.

1950 wurden zum ersten Male die kreisoffenen Waldläufe auf dem Stuifen ausgetragen. 47 Sportler beteiligten sich vom Verein erfolgreich am Gauturntag in Weiler. 1951: 1. Platz beim Hallenhandballturnier in Ebersbach/Fils und ein zweiter Platz beim Hallenhandballturnier in Treffelhausen, 22 Teilnehmer und 22 Siegeskränze beim Gauturnfest in Bettringen. In den folgenden Jahren holten sich die Handballer noch des öfteren Turniersiege und wurde auch Staffelmeister in der Punktspielrunde. Beim Landesturnfest in Schwenningen gab es sieben Sieger aus dem Verein. 1953 stieg die Handballmannschaft in die Bezirksklasse auf. Beim Gautag in Waldstetten machten erstmals auch Turnerinnen mit. Die Handballabteilung fiel dann 1954 wieder in die Kreisklasse I zurück.

Des weiteren ist im Protokollbuch nachzulesen, dass der Bau einer Turnhalle beschlossen wurde. Unglückliche Umstände bezüglich der Bauplatzbeschaffung und finanzielle Schwierigkeiten ließen das Vorhaben bis zum heutigen Tage nicht verwirklichen. Seit 1955 werden jährlich zwei Faschingsbälle mit Programm abgehalten. Vor vier Jahren waren 20 Teilnehmer beim Gaukinderturnfest in Böbingen.

Bei den Jugendkreiswaldmeisterschaften sicherte sich Erwin Schmid 1963 den Titel eines Kreismeisters. Der Ausbau des Geländes beim alten Schulhaus als Trainingsplatz erfolgte im gleichen Jahr. Zu dieser Zeit wurde auch mit der Renovierung des Handballplatzes begonnen. Drainagerohre wurden verlegt, sowie Tore und Fangnetze erneuert. Eine geschlossene Hecke umgibt seitdem die Talseitige Abgrenzung. Die Zuschauerplätze wurden verbessert und ein neuer Rasen angesät. Die Verwirklichung dieses Vorhabens verschlang die beachtliche Summe von 6000,- Mark. Auch der Geräteschuppen wurde in diesem Zusammenhang erneuert. Viele freiwillige Helfer fanden sich bereit, bei dieser Verwirklichung mitzuhelfen. Namhafte Firmen stellten freundlicherweise zu allergünstigsten Bedingungen Maschinen zur Verfügung. Der TSGV Rechberg und der TV Winzingen stellten ihre Plätze vorübergehend für die Heimspiele zur Verfügung.

1965 führte die Gesangsabteilung erfolgreich unter Mitwirkung des TSGV Rechberg und des einheimischen Kirchenchores einen Liederabend durch. Seit 1950 leitet Schulleiter Otto Hochsteiner ehrenamtlich die Abteilung, die heute 35 Sänger zählt. Die Singstunden werden wöchentlich im Gasthaus „Zum Hirsch“ abgehalten.

Seit 45 Jahren wird im Verein Handball gespielt. Die Abteilung spielt zur Zeit in der Kreisklasse I. Im letzten Jahr holten sich diese Idealisten in Lonsee den NWZ-Pokal. Auch wurde der Mannschaft der Fairness-Preis zuerkannt. Der einheimische Trainer Kurt Stütz machte sich alle Mühe um die Abteilung.

Die kreisoffenen Waldläufe auf dem Stuifen erfreuen sich einer immer größerer Beliebtheit. In diesem Jahr waren es 120 Teilnehmer. Es beteiligten sich regelmäßig Mannschaften aus den Kreisen Göppingen, Esslingen, Waiblingen und Schwäbisch Gmünd. Bei dieser Veranstaltung werden jährlich 5 Pokale vergeben.

Seit Bestehen des Vereins waren 22 Vorstände für das Vereinsgeschehen verantwortlich. Zehn Dirigenten leiteten die Gesangsabteilung. Die derzeitige Vorstandschaft ist sich der übernommenen Verantwortung bewusst und wird treu nach dem Willen der Gründer um die weitere Aufwärtsentwicklung des Vereins bemüht sein.

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